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Baumartenwahl im Klimawandel

Die Klimakrise und ihre Folgen stellt Waldbesitzende vor große Herausforderungen. Schwierige Entscheidungen mit langfristiger Wirkung müssen getroffen werden, dazu zählt auch die Wahl geeigneter Baumarten.

Die Folgen der Klimakrise verursachen eine Änderung von standörtlichen und klimatischen Voraussetzungen in fast allen Regionen Deutschlands. Stress durch Hitze und Trockenheit wird viele unserer Baumarten an die Grenzen ihrer Anpassungsfähigkeit bringen. Die prognostizierte Häufung von Schadereignissen (Sturm, Starkregen, Hitze und Dürre) aufgrund der Klimakrise trägt zu Unsicherheiten im Waldbau bei. Der Erhalt und der Umbau der Wälder mit heimischen und standortgerechten Baumarten wird anspruchsvoller.

Zukunftsentscheidung Baumartenwahl

Eine standortgemäße Baumartenwahl legt den Grundstein für stabilere, widerstandsfähigere und somit zukunftsfähige Waldbestände. Sie stellt die Kontinuität der Ökosystemleistungen der Wälder sicher. Darüber hinaus sorgt sie für den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage und nachhaltigen Ertragsfähigkeit von Waldbeständen.

Ziele bei der Baumartenwahl
  • Stabilität in der Klimakrise
  • Anpassungsfähigkeit
  • Erhalt der Ökosystemleistungen, z. B.
    • Holzproduktion
    • CO2-Bindung
    • Wasserspeicherung
    • Erholung
  • Erhalt/Steigerung der Biodiversität
  • Nachhaltige Ertragsfähigkeit

Standortverhältnisse sind entscheidend

Für eine optimale Bestandsentwicklung müssen die Ansprüche der Baumarten an den Boden und die klimatischen Bedingungen erfüllt werden. Von den abiotischen Standortverhältnissen (z. B. Wasserverfügbarkeit, Boden, Nährstoffe, Licht) hängt die Wahl geeigneter Baumarten maßgeblich ab. Die Bewertung der örtlichen Bedingungen muss erfolgen, bevor eine Entscheidung über die waldbauliche Vorgehensweise getroffen werden kann. Darüber hinaus ist auch die Naturnähe der Bestockung ein Ziel forstlicher Planung.

Aufschluss auf eine naturnahe, standortgerechte Baumartenwahl kann beispielsweise die potenziell natürliche Vegetation (pnV) geben.

Exkurs: potenziell natürliche Vegetation (pnV)
Die pnV beschreibt den Endzustand der Vegetation, die sich ohne menschlichen Einfluss in einem bestimmten Gebiet entwickeln würde (auch als Klimaxgesellschaft bezeichnet). Sie wird anhand von Standortbedingungen (bioklimatische Parameter und Bodenbedingungen) bestimmt. Verwendung findet die pnV unter anderem in der Beurteilung der Naturnähe der Bestockung (z. B. bei der Bundeswaldinventur), als Planungsgrundlage zur Festlegung von Naturschutzzielen (z. B. bei Renaturierungsmaßnahmen) und in der Forschung. Die Karte der pnV Deutschlands ist unter https://www.floraweb.de/lebensgemeinschaften/vegetationskarte.html zu finden.

Die pnV ist ein statisches Konzept. Durch die Klimakrise ist aber mit voranschreitenden Änderungen der Standortverhältnisse zu rechnen, sodass die pnV-Karten immer weniger zutreffen. Daher hat die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) in einem Projekt zur klimadynamischen Vegetation eine Projektion der pnV für das Jahr 2070 vorgenommen. Die veränderte pnV wurde sowohl bei einer optimistischen (Klimaszenario RCP 4.5) als auch bei einer starken Entwicklung des Ausstoßes von anthropogenem CO2 (Klimaszenario RCP 8.5) ermittelt und in Karten dargestellt (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Veränderung der pnV bis 2070 bei RCP 4.5 bzw. RCP 8.5 (Quelle: FVA, 2023)
Abbildung 1: Veränderung der pnV bis 2070 bei RCP 4.5 bzw. RCP 8.5 (Quelle: FVA, 2023)

Laut den Simulationen gehen die Flächen, auf denen die Buche klimatisch angepasst ist, durch den zukünftigen Temperaturanstieg und die verminderten Sommerniederschläge deutlich zurück. Unter Anwendung von RCP 8.5 erlangen deutschlandweit mediterrane Flaumeichenwälder das größte Potenzial und könnten bis 2070 auf bis zu 75 % der Fläche den Vegetationstyp mit der besten Klimaanpassung darstellen. Mediterrane Hartlaubwälder hätten vor allem im Nordwesten Deutschlands großes Potenzial.

Blick in die Zukunft

Niemand kann genau sagen, wie schnell der Klimawandel tatsächlich voranschreitet. Die Klimamodelle sprechen aber eine eindeutige Sprache: für das 21. Jahrhundert wird eine Temperaturzunahme von 1°C bis 4°C prognostiziert. Was das für die Zukunft deutscher Wälder bedeuten könnte, wurde durch das von den Bundesministerien für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) sowie für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) über den Waldklimafonds (WKF) finanzierte Projekt „ANALOG“ anschaulich dargestellt. Innerhalb des Projektes wurden Regionen ermittelt, in denen heute schon das Klima herrscht, das zukünftig für eine bestimmte Ausgangsregion erwartet wird. Grundlage dafür sind auch hier die Klimaszenarien RCP 4.5 und RCP 8.5. So wurden für ein Waldgebiet bei Roth (Bayern) zukünftige Klimadaten in 20-Jahresschritten bis 2100 ermittelt und anschließend in Europa Gebiete mit analogem Gegenwartsklima gesucht. Je weiter der Klimawandel fortschreitet, desto südlicher liegen die Analoggebiete (siehe Abbildung 2). Diese liefern Anhaltspunkte, wie Waldbestände zukünftig gestaltet werden können. Basierend auf Forstinventurdaten wurde die Häufigkeit der Baumarten in den Analoggebieten ermittelt und so zukünftig geeignete Baumarten identifiziert.


Abbildung 2: links: Analoggebiete für Roth (Bayern) bis 2100 bei RCP 8.5; rechts: Baumartenzusammensetzung der Analoggebiete unter der Annahme eines harten Klimawandels (RCP 8.5). (Quelle: Projekt „ANALOG“)

Stellt man die Baumartenhäufigkeit im Zeitverlauf dar, wird klar, wie schnell sich die Baumarteneignung im Klimawandel ändert (siehe Abbildung 3).


Abbildung 3: Veränderung der Baumarten in den Analoggebieten (Quelle: Projekt „ANALOG“)

Der unbeeinflusste Übergang von einer Waldgesellschaft in eine andere dauert allerdings mitunter mehrere hundert Jahre. Die Änderungen durch die Klimakrise schreiten aber schneller voran. Natürliche Anpassungsprozesse zur Aufrechterhaltung stabiler Wälder sind dadurch kaum möglich. Für die Zukunftssicherheit der Wälder und ihrer Ökosystemleistungen ist ein aktiver Waldumbau daher unumgänglich.

Welche Baumarten sind zukunftsfähig?

Zur Identifizierung von zukunftsfähigen Baumarten für Deutschland hat die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Forstliche Genressourcen und Forstsaatgutrecht“ (BLAG-FGR) eine Empfehlung herausgegeben. Im Vorfeld dazu wurde eine 101 Arten umfassende Baumartenliste für Deutschland erstellt. Von diesen Baumarten sind 37 heimischer, 25 europa-heimischer und 39 außereuropäischer Herkunft. Für neun heimische Haupt- und Nebenbaumarten (Rotbuche, Gewöhnliche Fichte, Waldkiefer, Trauben- und Stieleiche, Berg-Ahorn, Gewöhnliche Esche sowie Feld- und Berg-Ulme) werden deutliche Veränderungen der derzeitigen Verbreitungsgebiete aufgrund von Arealverlust bzw. -verschiebung oder biotischer Schaderreger angenommen. Von den eingeführten außereuropäischen Baumarten können 5 (Douglasie, Küsten-Tanne, Roteiche, Robinie und Japanische Lärche) schon jetzt als potenzieller Ersatz heimischer Baumarten herangezogen werden. Darüber hinaus sollen die in der folgenden Tabelle aufgeführten Baumarten vorrangig für die länderübergreifende Identifizierung zukunftsfähiger Baumarten in den Aktivitäten des Bundes und der Länder zur Anpassung der Wälder an den Klimawandel berücksichtigt werden.

Tabelle: Liste der von der BLAG-FGR als zukunftsfähig erachteten Baumarten

BaumartErsatzpotenzialErgänzungspotenzial
Seltene heimische Baumarten
HainbucheRotbucheTraubeneiche
Elsbeere Traubeneiche
WinterlindeTraubeneiche, Stieleiche, Gewöhnliche EscheRotbuche
SpitzahornRotbucheTraubeneiche
FlaumeicheTraubeneicheTraubeneiche
Europa-heimische Baumarten
Nordmann-TanneGewöhnliche Fichte, Waldkiefer, WeißtanneWeißtanne
OrientbucheRotbucheTraubeneiche
Baumhasel Rotbuche, Traubeneiche
Außereuropäische Baumarten
Atlas-ZederGewöhnliche Fichte, Waldkiefer 

Woher kommt das Saat- und Pflanzgut?

Bei der Erstaufforstung bzw. Wiederbewaldung spielen die geeigneten Saat- und Pflanzenherkünfte für die Stabilität und Leistungsfähigkeit des künftigen Waldes eine entscheidende Rolle. Durch die Regelungen hinsichtlich der Bereitstellung von hochwertigem und identitätsgesichertem forstlichen Vermehrungsgut schafft dasForstvermehrungsgutgesetz (FoVG) die Voraussetzungen, den Wald mit seinen vielfältigen Leistungen in seiner genetischen Vielfalt zu erhalten sowie die Forstwirtschaft und ihre Leistungsfähigkeit zu fördern. Das Gesetz regelt unter anderem die Zulassung von Ausgangsmaterial, die Erzeugung und das Inverkehrbringen sowie die Einfuhr und Ausfuhr von forstlichem Vermehrungsgut. Weitere Informationen und Vorschriften: https://www.ble.de/DE/Themen/Wald-Holz/Forstliches-Vermehrungsgut/forstliches-vermehrungsgut_node.html

Baumarten auf dem Prüfstand

Aufgrund der Aktualität und Dringlichkeit ist die Frage der Zukunftsfähigkeit verschiedener Baumarten Gegenstand vieler Forschungsbemühungen.

So entwickelt das WKF-Projekt „EVA-KW“ durch die Modellierung anbaurelevanter Informationen einen Anbauwürdigkeitsindex für 30 Baumarten. Dieser soll zukünftig als Entscheidungsgrundlage für die Baumartenwahl im Klimawandel dienen.

Auch das WKF-Projekt „MultiRiskSuit“ forscht in diese Richtung. In ihm soll eine verbesserte multikriterielle Eignungsempfehlung der aktuell wichtigsten Baumarten (u. a. Fichte, Kiefer, Douglasie, Buche Trauben- und Stieleiche) erarbeitet werden. Die Zukunftsfähigkeit dieser Baumarten und Baumartenmischungen soll dabei unter sich ändernden Umweltbedingungen abgeschätzt werde und so für eine künftige strategische Waldbauplanung bereitstehen.

Daneben beschäftigen sich verschiedene Projekte mit der Zukunftsfähigkeit und dem Ersatzpotenzial einzelner Baumarten. Das Projekt „HerKueTaSaat“, finanziert vom BMEL über das Förderprogramm „Nachwachsende Rohstoffe“, untersucht beispielsweise das adaptive Potenzial der Küstentanne. Diese gilt als eine der wichtigsten Alternativbaumarten in Deutschland vor dem Hintergrund der Klimakrise. Daher soll innerhalb des Projektes für die Küstentanne geeignete Genpools ermittelt und die Grundlage für die Erzeugung von Vermehrungsgut geschaffen werden.

Es gibt zudem weitere Forschung und Praxisempfehlungen zum klimaresilienten Waldumbau. Eine Sammlung einschlägiger Artikel ist u. a. unter folgendem Link abrufbar: https://www.waldwissen.net/de/waldwirtschaft/waldbau/waldumbau.

Landesanstalten geben Empfehlungen

Auf Grundlage von Forschungsergebnissen stellen die forstlichen Forschungs- und Versuchsanstalten der Länder Waldbesitzenden Empfehlungen zur Baumartenwahl in ihrem Bundesland (BL) zur Verfügung. Diese berücksichtigen regionale Unterschiede, Gegeben- und Besonderheiten innerhalb der BL und unterscheiden sich bezüglich der Ermittlungsmethoden der Baumarteneignung.

Ausgewählte Projekte

Weitere Informationen:

Pressekontakt:

Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V.
Martina Plothe
Tel.: +49 3843 6930-311
Mail: m.plothe(bei)fnr.de

Quellen:

Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (Hrsg.) (2019): Praxishilfe-Klima-Boden Baumartenwahl, Freising, 109 S.
Band 1 (PDF)
Band 2 (PDF)

Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (2020): Baumarten für den Klimawald - Leitlinien der Bayerischen Forstverwaltung (PDF) 

FNR (2022): Begründung von Waldbeständen. Broschüre. (PDF)

FNR (2022): Fichte bleibt bedeutsam im Mittelgebirge. (Pressemitteilung)

Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) (2021): Artensteckbriefe 2.0 – Alternative Baumarten im Klimawandel. (PDF)

Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) (2022): Baumarten im Klimawandel: Perspektiven für die Zukunft. (Mitschnitt Online-Veranstaltung vom 23.06.2022)

Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft des Landes Brandenburg (2018): Waldumbau in Brandenburg - Risikovorsorge für den Wald zukünftiger Generationen. (PDF-Faltblatt)

Thünen Institut (2021): BLAG-FGR: Identifizierung relevanter Baumarten und Konzept für Vergleichsanbauten. Thünen Working Paper 172. (PDF)

Zur Aufrechterhaltung der Ökosystemleistungen der Wälder ist ein aktiver Waldumbau unumgänglich. Eine standortgemäße Baumartenwahl legt den Grundstein für klimaresiliente Waldbestände. (Quelle: Jacob Lund - stock.adobe.com)

Zur Aufrechterhaltung der Ökosystemleistungen der Wälder ist ein aktiver Waldumbau unumgänglich. Eine standortgemäße Baumartenwahl legt den Grundstein für klimaresiliente Waldbestände. (Quelle: Jacob Lund - stock.adobe.com)

Bei der Erstaufforstung bzw. Wiederbewaldung spielen die geeigneten Saat- und Pflanzenherkünfte für die Stabilität und Leistungsfähigkeit des künftigen Waldes eine entscheidende Rolle. (Quelle: FNR / Marcus Kühling)

Bei der Erstaufforstung bzw. Wiederbewaldung spielen die geeigneten Saat- und Pflanzenherkünfte für die Stabilität und Leistungsfähigkeit des künftigen Waldes eine entscheidende Rolle. (Quelle: FNR / Marcus Kühling)

Die Frage der Zukunftsfähigkeit verschiedener Baumarten ist aktuell Gegenstand vieler Forschungsbemühungen. Auch die Orientbuche gilt als potentieller Ersatz heimischer Baumarten zur Etablierung klimafester Wälder. (Quelle: FNR / Siria Wildermann)

Die Frage der Zukunftsfähigkeit verschiedener Baumarten ist aktuell Gegenstand vieler Forschungsbemühungen. Auch die Orientbuche gilt als potentieller Ersatz heimischer Baumarten zur Etablierung klimafester Wälder. (Quelle: FNR / Siria Wildermann)